Kinder brauchen Fantasie

In meinem heutigen Elterntipp geht es um „Fantasie“, und bevor ich meine Gedanken dafür zu Papier bringe, muss ich gleich sagen, dass das Thema “Kinder brauchen Fantasie“ ja eigentlich ganz falsch formuliert ist. Kinder haben nämlich Fantasie, und wie! Sie haben so viel Fantasie, dass es uns Erwachsenen oft einfach zu viel wird, wir kommen da nicht mit. Unsere Fantasie ist leider schon etwas eingerostet – welch wunderbare Möglichkeit, sie gemeinsam mit den Kindern wieder neu zu entdecken.

Laut Duden ist Fantasie die „Fähigkeit, Gedächtnisinhalte zu neuen Vorstellungen zu verknüpfen, sich etwas in Gedanken auszumalen“. Dies ist eine so ungeheuer wertvolle Fähigkeit. Wir brauchen Menschen, die Fantasie haben, die kreative Lösungsansätze für die Probleme dieser Welt haben. Kinder haben diese Fähigkeit noch wirklich, aber sie geht im Laufe der Zeit immer mehr verloren. Fantasie muss man nämlich trainieren, so, wie man einen Muskel regelmäßig trainieren muss, damit er Kraft behält. Dazu gehört sicher, lieber öfter mal die Glotze auszulassen, und stattdessen Geschichten zu hören oder ein Buch zu lesen. Dazu gehört aber auch, sich Gedanken darüber zu machen, mit welchen Spielsachen wir unsere Kinder umgeben.

Vor Jahren war ich mit einem Freund zusammen in Kenya, um Entwicklungshilfe-Projekte des CVJM zu besuchen. In einem Slum-Dorf haben Jugendliche uns zu Ehren einen Sketch-Abend veranstaltet. Inmitten all des Elends herzhaftes Lachen und fröhliche Gesichter. Besonders beeindruckt hat mich die Fantasie der Jugendlichen. Kostüme hatten Sie keine, zumindest keine, die man sich kaufen kann. Aber jeder der Schauspieler hatte einen aus altem Draht selbst geformten, zur Rolle passenden Hut auf. Welch Kunstwerke da zu sehen waren, alles mit Fantasie selbst aus Abfall gemacht. In meiner Kindheit hatten wir auch nur wenige „fertige“ Spielsachen, vielmehr haben wir aus Alltäglichem und Gerümpel uns unsere Spielsachen selbst gemacht. Aus alten Brettern haben wir Flöße gebaut, mit Eicheln und Kastanien Männchen gebastelt, aus Stroh uns Hütten gebaut…. Weil vieles heute zu perfekt ist, fehlt auch oft der Raum für Fantasie. Ein Beispiel – als meine Brüder ihr erstes Lego geschenkt bekamen, waren das nur die Grundsteine. Kurze Zeit später wurden die Lego-Dachziegel erfunden, eine Revolution. Es gab damals auch Vorlagenhefte, aber die meisten Figuren haben wir uns selbst ausgedacht. Heutzutage bestehen Lego-Baukästen aus so vielen unterschiedlichen Einzelteilen, die Bausätze -z.B. Star-Wars Raumschiffe – sind so perfekt, aber auch so kompliziert, dass wir sehr umfangreiche Anleitungen und sehr viele Spezialteile benötigen. Und wenn das Raumschiff fertig ist, sind die Spielmöglichkeiten damit begrenzt, da es doch recht leicht zerbrechlich ist. Alles nur nach Vorlage zu machen, bietet den Kindern nur wenig Anregungen. In vielen Gemeinden gibt es heute Lego-Bibeltage, bei denen die Kinder aus Lego (Grundsteinen) biblische Geschichten nachbauen. Wenn man die Kinder dabei beobachtet, sieht man, dass Fantasie und Kreativität immer noch in ihnen steckt, wir müssen ihnen nur die Möglichkeit geben, sie auszuleben.

Sehr anregend finde ich dazu z.B. „Radieschenfieber“, ein Puppenspieler, der mit Obst und Gemüse biblische Geschichten erzählt. Es macht Spaß, dabei zuzusehen, wie aus solchen alltäglichen Dingen Schauspieler werden. Versuchen Sie es doch auch einmal, spielen Sie mit Ihren Kindern das Theaterstück von Prinz Paprika und der liebreizenden Prinzessin Brokkoli. Sie kennen den Theatertext nicht? Ihre Kinder können ihnen den sicher beibringen.

Fantasie ist ein Thema, dass auch in meinen Kinderliedern immer wieder aufgegriffen wird. Hören sie doch mal rein in das Lied „Denn ich hab Fantasie“ (CD „Voll cool“) und „Glotze aus“ (CD „Los geht`s“). Beide finden sie hier im Shop.